Februar 2024: Neue Publikation zur verbesserten Prognose mit cTPA im Vergleich zu SCORE2.
Januar 2024: Unser 2024 Abstract für die Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie
Zum Artikel vom vererbten kardiovaskulären Risiko durch LP(a) von Felicitas Witte in der NZZ am Sonntag vom 10.12.2023.
Kommentar von Michel Romanens:
Der Hinweis für atherosklerotische Plaque Präsenz als Indikator für eine Statinbehandlung von Prof. Mach ist sehr wichtig. Die AGLA ist jedenfalls auch interessiert, hier neue Richtlinien zu entwickeln: https://varifo.ch/wp-content/uploads/2023/11/AGLATaskforce092023.pdf
Allerdings muss folgende Aussage im Artikel kritisiert werden: „Es ist aber bisher nicht bewiesen, ob man hier mit Statinen das erhöhte Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle senken kann.“ Dieser Satz ist so nicht korrekt. Das relative Risiko scheint stark mit der absoluten Höhe von LP(a) zu variieren: https://www.lpaclinicalguidance.com/. Ich habe mal meine Werte unter Atorvastatin 80 mg und 10 mg Ezetrol eingegeben. Alter 70, Mann, Cholesterin 3.0, HDL 1.7, LDL 1.1, BD 110 mm Hg, Nichtraucher, ergibt bis ich 80 bin, ein absolutes Risiko von 0.5%, da mein LP(a) früher 1075 betrug und aktuell 753, steigt mein Risiko bis 80 auf 12.7% bzw. aktuell 5%. Mit einem unbehandelten Cholesterin betrüge das absolute Risiko bei mir 3.3% und mit LP(a) von 753 26.8%. Sie sehen also, dass ich mein absolute Risiko mit Statinen bei sehr hohem LP(a) massiv senken kann, und zwar von 27% auf 5%. Der von mir bemängelte Satz müsste also lauten: „Es ist aber gesichert, dass man mit Statinen das absolute Risiko bei Personen mit sehr hohem LP(a) über die Senkung des LDL Cholesterins massiv senken kann“. Als LP(a) betroffener würde mich Ihr Artikel schon sehr erschrecken, insbesondere erzeugt er eine massive Ungewissheit zur tatsächlichen Bedrohung (absolutes Risiko), andererseits raubt er mir die Möglichkeit, etwas zu tun, das hohe LP(a) erscheint hier als ausschliesslich Schicksal gegeben. Man kann es auch so ausdrücken: „Personen, die ihr absolutes kardiovaskuläres Risiko dank intensiver Prävention wie hochdosierten Statine, Ezetrol, Nichtrauchen, perfekte Blutdruckeinstellung und bei Vorhandensein von Atherosklerose-Plaque zusätzlicher Aspirin-Prävention zur Behandlung des Atherothrombose-Risikos, können den schädlichen Effekt von sehr hohem LP(a) massiv reduzieren.
Rationale for the cTPA test, a carotid ultrasound measure of quantified carotid plaque at baseline and over time. cTPA is the only non invasive test, that allows atherosclerosis imaging based on ultrasound also in patients with statin preventive therapy.
Abstract Time 2023 SGAIM / SGIM
„Der kanadische Arzt Sir William Osler (1849-1919), „der Vater der modernen Medizin“, ist bekannt für seinen Ausspruch: „Hören Sie Ihrem Patienten zu, er sagt Ihnen die Diagnose“. Diese Aussage findet sich auch in der Maxime der medizinischen Fakultät wieder: „90% der Diagnose stammt aus der Anamnese, 9% aus der Untersuchung und 1% aus Tests“ (Gruppen et al., 1988; Peterson et al., 1992). Diese Maxime ist im heutigen überlasteten Gesundheitssystem in Vergessenheit geraten. In der Eile, eine umfassende Anamnese zu erheben, kompensieren die Ärzte dies oft durch die Anordnung von Tests, die Überweisung an Spezialisten und die Einplanung weiterer Folgeuntersuchungen: „Der nächste Patient, bitte.“ Mit der zunehmenden Bedeutung der Telemedizin, bei der die Möglichkeiten zur Durchführung von Untersuchungen oder zur Anordnung von statistischen Tests begrenzt sind, sollte die Patientenanamnese ihre Rolle als primärer Faktor in der diagnostischen Gleichung zurückgewinnen. Es gibt auch einen breiteren Trend zur Demokratisierung des Zugangs zu medizinischen Informationen, oder „eHealth“, über Telefon-Apps, Wearables und preiswerte Messgeräte, die den Patienten mehr Kontrolle über die Behandlungsoptionen geben“ (Zitat aus https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/frai.2022.727486/full).
Doch: wie lange wir leben, ist immer Sir Osler folgend eine Frage der Gefässgesundheit (https://leadingtechnology.com/longevity-is-a-vascular-question-sir-william-osler-1891/).
Gerade diese Gefässgesundheit der Arterien kann nicht gespürt werden. Kranke Arterien machen keine Symptome, die PatientInnen erzählen sie uns nicht.
Zum Glück gibt es seit der Framingham Studie eine Reihe bekannter Faktoren, welche das Arterienalter bestimmen lassen: Alter, Geschlecht, Rauchen, Cholesterin, Blutdruck, Blutzucker usw. Bei Personen ohne Beschwerden (sogenannt Gesunde) sind solche Faktoren in der Lage, das Risiko für kranke Arterien zu ermitteln. Auf künstlicher Intelligenz basierende neuronale Netzwerke, insbesondere auch unter Verwendung von Bayes probabilistischen Netzwerken, werden für die Ermittlung kranker Arterien und damit verbundener Risiken wie Herzinfarkt oder Hirnschlag eingesetzt. Ohne diese nicht-anamnestischen Hilfsmittel wäre ein Detektieren vulnerabler Personen undenkbar.
Die Risikofaktoren basierte Methode hat aber auch ihre Schwächen: sie ist spezifisch, aber nicht sensitiv.
Deswegen wird die Schwäche dieses Vorgehens auch in den Europäischen Atherosklerose Guidelines 2021 erkannt und es wird demzufolge empfohlen, folgende Biomarker zur weiteren – personalisierteren – Risikoadjustierung zu verwenden:
- psycho-mentaler Stress
- Koronarverkalkungen
- Karotisplaques.
Damit sind wir mit unserer 20 jährigen Forschung um die prognostische Aussagekraft der Karotisplaque punktgenau in der Moderne gelandet. Letzter Knackpunkt: ist Koronarkalk oder Karotisplaque besser? Gibt es Gender-Unterschiede?
Wir haben ChatGPT befragt: „Are carotid plaque superior to coronary calcifications?“ The answer was: „Carotid plaques can be superior to coronary calcifications because they are more predictive of cardiovascular events, such as stroke. Carotid plaque is associated with a higher risk of cardiovascular events compared to coronary calcifications. Carotid plaque is also a better indicator of future stroke risk than coronary calcifications. Additionally, carotid plaques are more likely to be caused by atherosclerosis, whereas coronary calcifications are more commonly caused by aging or other vascular diseases.“ „Are coronary calcifications superior to carotid plaque?“ The answer was: „There is no clear answer to this question. Coronary calcifications and carotid plaque are both important risk factors for cardiovascular disease, but research has found that they may have different levels of predictive value. Studies have shown that coronary calcification may be a better predictor of risk for individuals who have not yet developed clinical evidence of cardiovascular disease, while carotid plaque may be a better predictor of risk for those with existing cardiovascular disease. Ultimately, both factors should be considered when evaluating an individual’s cardiovascular risk.“ Die Antworten sind interessant, regen zum Nachdenken an, sind aber nicht mehr als eine mögliche Antwort auf das Problem, keine definitive. Das ist das Problem von ChatGPT. Es tut so, als wären seine Antworten definitiv richtig. Das ist definitiv falsch.
Um solche komplexen Fragen zu beantworten, benötigen wir Forschung und nicht chatGPT.
ChatGPT produziert natürlich auch vollkommen demente Antworten, z.B: hier: is atherosclerosis imaging superior for women? Antwort:“Atherosclerosis imaging is not necessarily superior for women, but there may be certain imaging modalities that are more appropriate for women based on their individual characteristics and medical history. For example, computed tomography (CT) angiography may be a better option for women because it does not use ionizing radiation, which can be harmful to women who are pregnant or may become pregnant. Additionally, ultrasound imaging may be a better option for women because it is non-invasive and does not use ionizing radiation. Ultimately, the best imaging modality for a woman will depend on her individual circumstances and should be discussed with her healthcare provider.“ ChatGPT behauptet hier also, dass eine Computertomographie NICHT mit einer Strahlenbelastung bei Frauen verbunden sei. OjeMine.
Gudmundsson fand heraus, das Karotisplaques bei Frauen im Vergleich zu Koronarverkalkungen und Männern höhere Bedeutung haben (1): “ Carotid plaque was strongly associated with the presence and extent of CAC in asymptomatic individuals in a population-based cohort. Carotid plaque predicts incident CHD events over risk scores and may be useful for refined risk prediction in females.“
Nun zu den Abstracts SGAIM / SGK 2023: wir sind auch aufgrund anderer Hinweise, dass Karotisplaque zwar bei Frauen für die Risikovorhersage von Hirnschlag gegenüber Männern vergleichbar sind (2), hingegen das Herzinfarktrisiko bei Frauen mit Karotis Plaque höher ist als bei Männern (3) in unserer Datenbank mit Sammlung von TPA (Karotisplaque) und CAC (Verkalkungen der Koronararterien, Agatston Score) nachgegangen. Unser Datensatz besteht aus 942 Personen mit gleichzeitiger Messung von TPA und CAC. Lesen Sie hier unsere interessanten Gender-spezifischen Erkenntnisse (4). Gemäss unserer Forschung finden sich bei manchen Frauen prognostisch relevante Karotisatherome ohne Nachweis von Koronarverkalkungen. Damit ist wahrscheinlich, dass Karotisplaque für das Management der Atherosklerose bei Frauen wichtiger sind als bei Männern. Beide Abstracts wurden am 15.03.2023 von der SGAIM für den Jahreskongress in Basel am 11.05.2023 als Poster akzeptiert.
Vortrag Qualitätszirkel Centramed 30.11.2022
Vortrag Centramed Partner vom 17.08.2022 und Centramed Managed Care Symposium vom 17.11.2022
Warnung an alle Personen ab 70: Eine Gruppe um Nicolas Rodondi, Inselspital, führt eine Studie durch, welche Personen zum Absetzen von Statinen einlädt. Diese Studie kann ohne Kenntnis des Zustandes der Arterien lebensgefährlich sein und zu schweren gesundheitlichen Schäden führen. Wir raten deshalb dringend davon ab, an der Schweizerischen Stream-Studie teilzunehmen. Mehr lesen…
Weitere Informationen (Eingabe kant. Ethikkommission vom 29.06.2022)
Poster SGAIM und SGK Meeting 2022:
SCORE2, like SCORE, performs well in categorizing patients with events as medium- or high risk when compared to PROCAM. Additional information regarding calibration and discrimination of SCORE2 compared to PROCAM and SCORE was small. The addition of the TPA-Bayes criterion to SCORE2 as well as TPA itself outperformed risk models without incorporation of TPA regarding MACE and ASCVD. TPA contains important clinical information beyond SCORE2 and should be used jointly in order to allocate preventive resources as soon and as personalised as possible.
References
Romanens M., Adams A., Sudano I., et al. Prediction of cardiovascular events with traditional risk equations and total plaque area of carotid atherosclerosis. Preventive Medicine 2021;147:106525.
Romanens M., Adams A., Bojara W., Balint S., Warmuth W. Cost-Effectiveness-Analysis of Statins in primary care. Results from the Arteris Cohort Study. smw.ch/article/doi/smw.2021.20498
30. Juni 2021: Neuer Risikorechner ESC / SCORE 2
Die Europäische Herzgesellschaft hat einen Risikorechner publiziert, er nennt sich SCORE2. SCORE2 berechnet das Risiko für Herz- und Hirnschlag, wie alle Risikorechner das tun. Neu ist hingegen die Kategorisierung in Risikogruppen. Unter 50 Jahren gilt ein 10-Jahres Risiko von 2.5% bereits als hoch, ab 7.5% als sehr hoch. Ab 50 Jahren gelten diese Grenzwerte ab 5.0% und 10%. In der Schweiz gilt das Risiko für Herzinfarkt alleine erst ab 20% in 10 Jahren als hoch. Die Folge davon: von 1 858 gesunden Personen im Alter zwischen 40-65 Jahren werden in der Schweiz fast 50% dieser Personen mit niedrigem Risiko kategorisiert, obwohl das Risiko nicht niedrig ist. Dies hat massive Konsequenzen auf die Versorgungssicherheit in der Prävention.
TPA klassiert die Risiken über die Zeit hervorragend (siehe Graphik mit den adjustierten Kaplan Meier Überlebenskurven. Im multivariaten Modell mit Framingham, SCORE und PROCAM sowie den Karotisplaque) waren sowohl für harte Endpunkte (Herz- und Hirnschlag) als auch für alle Endpunkte (unter Einschluss von PTCA; CABG, KHK) nur TPA und SCORE2 hoch signifikant vorhersagekräftig. Dies bedeutet, dass künftig in der Schweiz der PROCAM Score nicht mehr verwendet werden sollte. Zudem klassierte TPA 81% der Ereignisse als hohes Risiko, SCORE2 nur 31%. Diese Zahlen belegen, dass ohne die Kenntnis der Atherosklerose in den Halsarterien keine gezielte und damit auch vernünftige Prävention möglich ist.